Aller guten Dinge sind drei. Ein letztes Mal soll hier im
Living Dō-Blog die obige Marke oder überhaupt irgendeine Zigarettenmarke bemüht
sein. Es geht hier aber nicht mehr um den streitbaren Suchtstängel. Und auch nicht
um die diversen Warnungen auf der Packung — was an sich vielleicht sogar schon
einen kleinen, satirischen Exkurs in die Parallelkonsumwelt wert wäre: Auf den
Family-SUVs könnte „Schlechtes Rangieren kann zu Beulen führen“ stehen, und auf den Kondompackungen „Kann Haut- und Kopfirritationen
hervorrufen“. Auf Colaflaschen und Chipstüten stünde: „Kann zum Kauf größerer
Kleidung veranlassen“, oder: „Kann Schönheitsdefizite erzeugen“.
Es ginge auch direkter und weniger euphemistisch: „Macht sozial abhängig“ auf den Smartphones, und: „Führt zu Faulheit und zu flächendeckender Verblödung“ auf den Fernsehern. Letztlich müssten wir alle auf unseren Klamotten den eingewebten Hinweis tragen, oder besser gleich auf der Haut tätowiert: „Kann tödlich sein.“
Es ginge auch direkter und weniger euphemistisch: „Macht sozial abhängig“ auf den Smartphones, und: „Führt zu Faulheit und zu flächendeckender Verblödung“ auf den Fernsehern. Letztlich müssten wir alle auf unseren Klamotten den eingewebten Hinweis tragen, oder besser gleich auf der Haut tätowiert: „Kann tödlich sein.“
Nein, es geht um etwas
anderes — Marlboro wirbt zurzeit wieder mit großflächigen Porträts für ihre
Krebs- und Totbringer unter anderem mit der Frage: „What’s your next move?“.
Weiter denken
Diese Frage könnte von den Werbetextern als Wortspiel
gemeint sein: „Was ist dein nächster Zug?“, um dann die Antwort zu implizieren:
„Der an meiner Marlboro!“
Huah, wie geistreich. Dann kann ich den Post hier beenden.
Ein Living Dōjin jedoch kann aus der Frage „What’s your next
move“ mehr herausholen als sich dem durch Werbeübermüllung zur Ignoranz konditionierten Konsumenten zu
erschließen vermag. Ihm kommt zum Beispiel in den Sinn, dass eingefleischte Brettspielnerds
bei dieser Frage gedanklich brillante
Züge einer Hou Yifan verknüpfen
mögen. Oder, wer die chinesische
Schachweltmeisterin nicht kennt, sich aber im Global Business zuhause wähnt, sie
mit Handlungen Steve Jobs‘scher Dimensionen assoziiert.
Auf das elitäre Berufs- oder Geschäftsleben
heruntergebrochen, kann die Frage nach dem next Move also durchaus eine nächste
als erfolgversprechend gesehene Aktion meinen — eine Innovation, ein Event,
eine Kampagne —, hervorgegangen aus taktisch gedachten Überlegungen.
Und auf das Leben jenseits weltherrschaftlicher Ambitionen
eines Mark Zuckerberg oder eines Donald Trump bezogen? Da sieht die Realität meist
anders aus. Sie kulminiert in zwei Extremen: Hyperpassivität und
Hyperaktivität; deren Fragen lauten: „Warum wird kein next Move gemacht?“ Oder:
„Warum werden lauter, aber eher unbedeutende next Moves gemacht?"
Warum herrschen hier Lethargie und Apathie einerseits vor und Hyperaktivität bis zum Burn-out andrerseits?
Warum herrschen hier Lethargie und Apathie einerseits vor und Hyperaktivität bis zum Burn-out andrerseits?
Gleich und doch verschieden
Wir alle sind behavioristisch betrachtet, der Fünfheit ex-
und intrinsischer Prägung unterworfen: (1)Anlagen - (2)Erziehung/Konditionierung - (3)Umwelt - (4)Erfahrung - (5)subjektive Verarbeitung
und Bedeutungshierarchie der Erfahrung.
In dieser Pentade liegt begründet, warum wir zwar alle
verschieden sind, in unser psycho-sozialen Grundstruktur aber recht ähnlich.
Biologisch definiert, sind wir als Homo sapiens senso-motorische
Wesen mit erworbenem Intellekt (der durch die rege Nutzung externer, digitaler
Intelligenz sich messbar [s. https://de.wikipedia.org/wiki/Manfred_Spitzer#Digitale_Demenz]
wieder reduziert). Über Jahrtausende hinweg sicherten wir unsere Existenz und
unser Überleben durch das aktive Tun mit dem Körper als Sammler, Jäger,
Handwerker, …
Nach zwei Weltkriegen waren wir Jahrzehnte lang körperlich
mit dem Aufbau und später mit dem Erhalt des Zerstörten beschäftigt.
Inzwischen ist alles aufgebaut. Die Berufswelt hat sich
gewandelt und wandelt sich weiter. Unsere Existenz ist nicht mehr primär von (bisweilen
harter) körperlicher Arbeit abhängig, sondern vom Konsum und dessen zwanghafter
Aufrechterhaltung als unserer Wohlstandsgrundlage. Diese, sich durch uns selbst
erzeugende und durch uns selbst zerfleischende Mechanik ist der schleichende
Prozess vom erneuten Niedergang einer Hochkultur wie ihn die Historie immer
wieder erlebt hat.
Was hat das alles mit der „What’s your next move“-Frage zu tun?
Was hat das alles mit der „What’s your next move“-Frage zu tun?
Als Gefangener unseres Seins sind wir ständig auf der Flucht
vor uns selbst
Das Los des Lebenden, Mensch oder Tier, ist es, sich über
die gesamte Dauer seiner Existenz ununterbrochen mit ihm — dem Leben, zu
beschäftigen. Man kann es nicht links liegen lassen, und wenn, dann rächt es
sich bitter. Es rächt sich aber auch, wenn man es nicht in Ruhe lässt. Oder
lässt es uns nicht in Ruhe?
Für beide, den Hyperpassiven wie den Hyperaktiven gilt der
Zwitterfatalismus, wie ihn die Überschrift dieses Absatzes beschreibt.
Lediglich deren konträre Bewältigungsmuster sind es, die sie, zumindest in
dieser Hinsicht, so stark voneinander unterscheiden.
Bewusste Menschen wie unbewusste agieren in beiden
vorgenannten Extremen Hyperpassivität und Hyperaktivität. So ergeben sich vier
Formen.
Für den unbewussten Hyperpassiven gilt: Kein Plan, also auch
kein Zug. Seneca wusste: „Wer den Hafen nicht kennt, für den weht nie der
richtige Wind.“
Der unbewusste Hyperaktive hat ebenfalls keinen Plan, nur
ist er der Flucht vor sich näher als seiner Gefangenschaft, deswegen ertrinkt
er in Eifer, Eile, Emsigkeit.
Nicht weniger fatalistisch trifft es die Bewussten. Den Hyperpassiven
unter ihnen hat die Erkenntnis der Sinnlosigkeit, ganz im Camus’schen Sinn, zur
Lethargie getrieben — weshalb und wozu etwas tun, wenn ihr ohnehin alles
anheimfällt?
Bleibt noch der bewusste Hyperaktive. Dem wirkenden
Konstrukt des Selbstbilds vom Macher geschuldet und der Tatsache, dass allein dessen Rettung,
und sei sie zwanghaft, ihn noch am Leben erhält, bringt er triftige Rechtfertigungsstrategien
für seine überrege Betriebsamkeit hervor.
Orientieren - Optimieren - Organisieren
Wer weder zum einen Extrem gehört noch zum anderen, hat als
Mischwesen gute Chancen auf ein ausgeglichenes Leben mit guten Moves. So hört
man auf diversen Seminaren bisweilen diese Formel: „Aus deiner Vision und deinen Werten erwächst die Mission deines Lebens.
Der Erfolg deines Lebens misst sich daran, wie unaufhaltsam du auf deiner Mission bist.“
Sind wir uns unserer Werte bewusst? Haben wir eine Vision,
ein geistiges Bild vor Augen? Wollen wir noch etwas aufbauen? Haben wir noch
Ziele, Wünsche, Träume, die wir mit eigenen Händen verwirklichen wollen?
Was wollen wir von uns selbst und unserem Leben?
Wer darauf keine Antwort weiß, geschweige denn, sich diese
Fragen überhaupt stellt, und sich nicht mal seiner eigenen Werte bewusst ist,
der macht keinen bedeutenden Move. Wer zwar Antworten hat, aber sich immer wieder von seinem Weg ablenken lässt, wird womöglich viele gute Moves machen, aber er läuft Gefahr sein Ziel aus den Augen zu verlieren - deswegen lautet die "D-Triade" aus den Acht Triaden des Living Dō: Orientieren - Optimieren - Organisieren.
Ausgewogenheit
Tragisch wird es, wenn wir als dieses Mischwesen, das
beides, Ruhe — kein Move — und Betriebsamkeit — ausgesuchte Moves — braucht, nicht
ausgewogen leben können. Wenn wir uns Stille und Ruhe ersehnen, aber es
beruflich wie privat nicht schaffen, uns diese Inseln zu organisieren. Wenn wir
unter dem Hamsterrad-Syndrom leiden.
Bei Dauerstress — Moves am laufenden Band — wird sich unser
Geist früher oder später melden. Er wird es, dreimal dürfen wir raten, über den
Körper tun. Wir sind und bleiben Körperwesen, selbst wenn wir ihn zunehmend
verleugnen, das meint, ihn schlecht zu ernähren und schlecht zu pflegen, ihn mitunter
regelrecht zu vergewaltigen.
Jetzt - Die Königszeit
Das Vergangene war. Die Zukunft ist ungewiss. Es gibt nur
die Gegenwart. Sie ist die Königszeit. Der Anspruch aller Spiritueller und
damit auch der Living Dōjin ist: Das Bewusstsein für die Königszeit zu
schärfen. Eine Tätigkeit zu verrichten und dabei mit den Gedanken entweder in
der Vergangenheit (… es war so schön mit dem Partner …) oder in der Zukunft (…
es wird so schön werden …) zu hängen, ist Verrat an der Gegenwart. Bei
belanglosen Tätigkeiten mag das angehen, nicht aber, wenn wir etwas Wichtiges
tun, wie zum Beispiel einen Menschen oder ein Tier pflegen. Davon abgesehen
steigt ohnehin die Konzentration mit der persönlichen Bedeutungsschwere (s. die
Pentade), die wir unserer momentanen Tätigkeit beimessen. Die Frage hier lautet also nicht
nach dem nächsten Move, sondern nach dem jetzigen: „Welchen Move machst du
gerade? Und vor allem: Wie machst du ihn?“
Move!
Wichtig ist, dass wir uns überhaupt bewegen. Körperlich und
geistig, und das ausgeglichen und bewusst. Tun um des reinen Tuns Willen, ohne
nach dem Sinn zu fragen, hat mit Bewusstheit nichts zu schaffen.
Umso besser, wenn wir zum erkannten Sinn noch die Ethik unserer Handelns erkennen, wenn wir bad Moves unterlassen und good Moves unternehmen.
Umso besser, wenn wir zum erkannten Sinn noch die Ethik unserer Handelns erkennen, wenn wir bad Moves unterlassen und good Moves unternehmen.
Wie das geht?
Keine Moves machen, die für einen selbst und für andere schlecht sind, sondern Moves machen, die für einen selbst und für andere gut sind.
Und wie geht das?
Nicht in Lethargie versumpfen, sondern immer wieder mal nach innen gehen, über sich selbst nachdenken, sich die Frage stellen: „Was will ich von mir und meinem Leben?“ Und Antworten finden. Je klarer die Antwort, desto klarer der Plan, desto wahrer der (next) Move.
Keine Moves machen, die für einen selbst und für andere schlecht sind, sondern Moves machen, die für einen selbst und für andere gut sind.
Und wie geht das?
Nicht in Lethargie versumpfen, sondern immer wieder mal nach innen gehen, über sich selbst nachdenken, sich die Frage stellen: „Was will ich von mir und meinem Leben?“ Und Antworten finden. Je klarer die Antwort, desto klarer der Plan, desto wahrer der (next) Move.
Song:
„Owner of the lonely heart“ (1983) von YES. Der Song beginnt mit: "Move yourself ..."