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Bild: ZDF/Stephan Rabold |
Ich besitze seit Jahren keinen Fernseher. Aber ich kucke mir
manchmal bei Freunden etwas mit an. Zuletzt war das „Blochin — Die Lebenden und
die Toten“, der viel diskutierte Thriller-5-Teiler mit Jürgen Vogel in der
Hauptrolle, der Ende September im ZDF lief.
http://www.zdf.de/blochin/blochin-39319994.html
In diesem Post soll nur ein einziges aber interessantes Detail dieses Thrillers den Bogen zu Living Dō spannen, genauer zu einem Aspekt von insgesamt 24 aus den 8 Triaden: der Achtsamkeit; wie wir mit ihr umgehen, wie sie bewusst wie unbewusst für und gegen uns und andere wirkt. Das besagte Detail ist klein und aus unserem Alltag nur noch schwer wegzudenken: Blochins Handy.
In diesem Post soll nur ein einziges aber interessantes Detail dieses Thrillers den Bogen zu Living Dō spannen, genauer zu einem Aspekt von insgesamt 24 aus den 8 Triaden: der Achtsamkeit; wie wir mit ihr umgehen, wie sie bewusst wie unbewusst für und gegen uns und andere wirkt. Das besagte Detail ist klein und aus unserem Alltag nur noch schwer wegzudenken: Blochins Handy.
Der Kritiker http://www.spiegel.de/kultur/tv/blochin-im-zdf-leider-nicht-das-deutsche-breaking-bad-a-1054135.html über Blochin „Mit
zunehmender Spieldauer des insgesamt sechsstündigen Werks gab es sogar Lacher
wegen unfreiwilliger Komik — nämlich dann, wenn Titelheld Jürgen Vogel als
schicksalsgeprüfter Berliner Bulle ein ums andere Mal in hochdramatischer
Situation zum Smartphone griff und dann ganz schnell und unvermittelt weg
musste. Da war gebannte Anteilnahme schon beiläufigem Amüsement gewichen.“
Die ,Lacher‘ und das ,beiläufige Amüsement‘ mögen wohl ganz beim
Rezensenten gewesen sein, meinen Freunden und mir wurden sie nicht zuteil, im
Gegenteil; aber vielleicht sind wir noch nicht so metropolished abgewichst und tragen
uns zu sehr mit dem Manko der Empathie?
Gesetzt der Tatsache, dass das Smartphone im konzertiert umtriebigen
Alltag des urbanen Vereinsamungsphobikers eine neue Religion heraufbeschworen hat,
deren Götzendienstverrichtung man allerorten — Schlafzimmer, Küche, Café,
Straßenbahn, … — beobachten kann, ist es ein probates Stilmittel der Autoren, in
der Geschichte das Handy allgemein und speziell Blochins als einen wesentlichen
Pacemaker zu inkludieren; wenn die Akteure irgendwo — Essen mit der Familie, Elternabend,
Geschäfte, etc. — herausgerissen werden, passiert dies hauptsächlich durch ein
Klingeln aus der Hosentasche, eben wie im richtigen Leben des Homo Androidius.
Old school oder Old 's cool
Zurück zur Achtsamkeit als Ausdruck unseres Bewusstseins. Blochin benutzt im Gegensatz zu seinen Kollegen kein Smartphone, sondern ein normales Handy, quasi ein Old school Mobiltelefon. Das mag für manchen keine große Entdeckung sein, fraglich, wer es überhaupt bemerkt und wenn, ob und welche Gedanken er sich darüber gemacht hat. Oben zitierter Spiegel Kritiker mag es bemerkt, aber nicht verstanden haben, oder auch nicht bemerkt haben, denn seine Achtsamkeit war im Bestreben, seine Kritik ins Negative spielen zu lassen auf eben jene Aspekte ausgerichtet, die sein Vorhaben — die schlechte Kritik — untermauerten. Das dazu, wie Achtsamkeit wirkt.
Dem berechtigten Interesse meiner speziellen Freundin Jin
Cheng geschuldet,
möchte ich etwas über dieses Handy-Detail schreiben. Jin ist als Yoko Magune
Autorin des zeitgenössischen Romans „€njokōsai,-", mit einem genuin japanischen
Thema, das sie hierher in den Westen importiert hat, und den ich hiermit noch
einmal gerne für sie bewerben möchte.
Zen und Mehr
Wer sich mit erzählendem Schreiben befasst, weiß, dass die
Drehbuchautoren von Blochin das Handy-Detail — wie Hundert andere — bei der
Anlage der Figur bewusst arrangiert haben. In durchkomponierten Werken wie
Romanen und Drehbüchern erhält jeder tragende Charakter eine eigene fiktive
Biographie mit definierten Wesensausprägungen, damit er stimmig nach außen
treten kann. Letztlich ist die narrative Illusion perfekt, wenn der Zuschauer
vergisst, dass es Fiktion ist, was ihn da auf den Bildschirm bannt —
Schauspieler und deren Texte, Komparsen und Statisten, Kleidung und Requisiten,
Settings und Locations, … Alles bis ins Detail: Fiktion. Und doch:
Wirklichkeit. In Analogie zum Zen könnte man sagen: Fiktion ist Wirklichkeit, und
Wirklichkeit ist Fiktion. Im Zen gibt es den bekannten Spruch: „Form ist Leere,
und Leere ist Form.“ Das ist die Kernaussage des Herzsutra im Mahayana. Diese
Form-Leere-Aussage gilt als eine Quintessenz im Zuge von Erkenntnis, die man
durch tiefere Einsicht gewonnen hat, beziehungsweise gewinnen kann.
Blochin benutzt kein Smartphone, um sich von seinem Umfeld abzugrenzen und sein Einzelgängertum besser herauszustellen. Das Handy ist für ihn das, wofür es ursprünglich erfunden wurde: ein Gerät zum mobilen Telefonieren. Nicht mehr und nicht weniger (hier käme der Living Dō-Aspekt Reduktion zum Tragen, aber darum geht es in diesem Post nicht). Es gibt nicht eine einzige Szene, in der er eine SMS schreibt. Blochin muss nicht digital (und auch sonst nicht) en vogue sein. Im Gegenteil. Er definiert sich nicht darüber.
Blochin benutzt kein Smartphone, um sich von seinem Umfeld abzugrenzen und sein Einzelgängertum besser herauszustellen. Das Handy ist für ihn das, wofür es ursprünglich erfunden wurde: ein Gerät zum mobilen Telefonieren. Nicht mehr und nicht weniger (hier käme der Living Dō-Aspekt Reduktion zum Tragen, aber darum geht es in diesem Post nicht). Es gibt nicht eine einzige Szene, in der er eine SMS schreibt. Blochin muss nicht digital (und auch sonst nicht) en vogue sein. Im Gegenteil. Er definiert sich nicht darüber.
Oder etwa doch?
Synergie
Mit dieser Frage sind wir mitten in Living Dō. Mitten in der
Psychologie, die man nicht losgelöst von Living Dō sehen kann und umgekehrt.
Weil Living Dō Synergien kultiviert, ist es ebenso wenig losgelöst von
westlicher wie östlicher Philosophie, wobei sich zweite im Budō und Zen
widerspiegelt.
Wenn man die vieldiskutierte Auflösung der Dualität als den
höchsten Level der Transzendenz erreicht hat, wird die Kernaussage des
Herzsutra wahr, dann ist Form Leere und umgekehrt. Dann vereinen sich Widersprüche, lösen sich
Muster auf, fallen Feindbilder. Dann wird alles eins. Diesen Zustand setzt man
im Buddhismus mit Erleuchtung gleich, und jene, die ihn erreicht haben, je nach
Ausrichtung mit Arhats oder Bodhisattvas. Wohl dem, der diesen Weg geht und Ehrfurcht
jenem, der gar am Ziel angekommen ist. Dass dies nur relativ wenigen gelang und
gelingt, ist bekannt, selbst wenn es wohl einige mehr von sich behaupten. Nur,
wer es von sich behauptet, ist es nicht. So lautet zumindest die einhellige
Meinung einschlägiger Kreise. Es verhält sich ähnlich diesem Rätsel:
Wer es macht, sagt es nicht.
Wer es nimmt, kennt es nicht.
Wer es kennt, nimmt es nicht.*
Sieht man einem Erleuchteten denn an, dass er es ist?
Schwebt er über dem Boden? Trägt er eine strahlende Aura um sich? Knistert die
Atmosphäre dort, wo er sich aufhält? Die Esoterik wird bei uns unter anderem deswegen
recht kontrovers diskutiert, weil sie diese Phänomene gerne plakativ ausbreitet
und im Gegenzug auf eine seit der Neuzeit naturwissenschaftlich geprägte
Denkweise stößt, die so etwas gar nicht oder wenn, dann nur mit Unbill hören
will.
Watzlawick
Hier schließen sich bereits Kreise, obwohl Welten dazwischen zu liegen scheinen — wir waren beim Handy und haben über Zen, Esoterik und Naturwissenschaft den Schwenk zu Spiritualität gemacht. Wir sind abgeschweift, um uns wieder Blochins Handy zu widmen, besser der Frage: Definiert Blochin sich über das Handy oder nicht?
Natürlich tut er es. In Analogie zu Paul Watzlawicks erstem
Axiom „Man kann nicht nicht
kommunizieren“, definiert sich jeder am Alltagsleben beteiligte Mensch über und
durch etwas: durch Meinung, Sprache, Aussehen, Besitz, Beruf, Hobby, Gruppe, etc.
Es ist ein klarer Ausdruck von Selbstdefinition, 2015 mit einem old school
Handy zu telefonieren, indes sich der inkarnierte Mainstream anschickt, jeder
Smartphone-Innovation hinterherzuhecheln. Ob es Zufall ist, eine Reminiszenz an
den Spirit of Retro, romantische Schwärmerei hängengebliebener Nostalgiker, oder
mangelnder Fortschrittsgeist habe ich nicht eruiert, jedoch ist es auffällig,
dass sich in letzter Zeit immer mehr Living Dōjin wieder Old School Handys
zulegen. Diese Erscheinung mag man, wie bei Blochin, gar nicht bemerken —
Achtsamkeit — und damit nicht bewerten, nichtsdestotrotz ist es der Ausdruck
einer ablehnenden Haltung jener, die es Leid sind, immer noch mehr digital
penetriert zu werden. Old school Mobiltelefoner sind Menschen, die in erster
Linie telefonieren. Blochin ist so einer. Er telefoniert einfach, wo andere verstummen
und autistisch anmutend mit spitzen Fingern Kurznachrichten eintippen. Das
macht ihn wohl nicht zum Erleuchtenden, aber ein Stückweit wohl zu einem Living
Dōjin, ohne es zu wissen.
*Falschgeld
Songempfehlung. Von John Mayer gecovert, aber unique.
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